Stockwerkeigentum: Augen auf und kritisch bleiben beim Kauf!
Für die meisten Leute ist der Erwerb von Stockwerkeigentum oder einer Eigentumswohnung eine Entscheidung von grösserer Tragweite im Leben. Trotzdem lässt man sich oftmals allein von der schönen Lage an einem Sonnenhang mit Aussicht blenden. Oder es ist nur der stilvolle Innenausbau mit modernen Features, der den Ausschlag gibt. Doch reichen diese Argumente aus? Wir geben Ihnen Tipps aus der Praxis.
Der Erwerb von Stockwerkeigentum ist sehr populär. Wenn Privatpersonen heute eine Wohnung in einem Neubau oder ab Plan erwerben, leisten sie meist schon vor Baubeginn erste Anzahlungen. Weiter unterzeichnen sie im Vorfeld einen verbindlichen Kaufvertrag. Welche Risiken damit verbunden sind, ist ihnen oft nicht bewusst. Hier ein Beispiel der Familie Muster (Name geändert): Nach über zehn Monaten intensiver Wohnungssuche hat Familie Muster endlich ihr Wunschobjekt gefunden. Gross und hell, eine ansprechende Umgebung und vor allem nahe des öffentlichen Verkehrs. Der Verkäufer des Neubauprojektes warb mit dem Slogan «Qualität, Preis und Leistung». So war man sich bald einig und die formellen Dokumente wurden unterzeichnet.
Die Fallstricke in der Juristensprache
Einen wichtigen Punkt im Vertrag hatte die Familie Muster allerdings übersehen: Unter «Mängelrechte und Garantien» heisst es, dass der Verkäufer respektive der Generalunternehmer alle Garantieansprüche «an die Käufer bzw. an die Stockwerkeigentümergemeinschaft abtritt». Für Nicht-Juristen tönt das völlig unbedenklich, ja sogar positiv. Immerhin erhalten sie ja scheinbar Rechte und Garantieansprüche.
Juristisch interpretiert, heisst eine solche Klausel jedoch nichts anderes, als dass der Generalunternehmer für Mängel am Bau nicht geradestehen will. Wenn nun irgendetwas am Bau mangelhaft ist – was sich kaum je vermeiden lässt –, müssen sich die Käufer selbst mit dem Problem herumschlagen: Sie müssen herausfinden, wer die Verantwortung trägt und wer den Mangel in Ordnung zu bringen hat. In diesem Prozess um Zuständigkeiten haben aber private Käufer von Stockwerkeigentum meist schlechte Karten. Ohne sauberen Vertrag mit klarer Verantwortung des Unternehmers können sie oft wenig ausrichten.
(Gemäss Untersuchungen muss man bei einem Neubauprojekt durchschnittlich mit rund 30 Baumängeln rechnen.)
Der Vertrag
Eine grosse Portion Gutgläubigkeit wie im Fall der Familie Muster ist keineswegs selten. Neun von zehn Käuferinnen und Käufern würden den Vertrag mehr oder weniger unbesehen unterschreiben. In der Praxis kommt es vor, dass der folgenreiche Entscheid für eine Wohnung unter Zeitdruck gefällt werden muss. Manche Verkäufer schieben das Argument vor, sie hätten noch viele andere Interessenten. Solchen Zeitdruck sollte man nicht akzeptieren. Einem Interessenten sind mindestens zehn bis 14 Tage einzuräumen. So viel Zeit braucht es, um alle Pläne und Vertragsdetails zu studieren. Wenn der Interessent auch noch die Referenzen der Baufirma respektive des Generalunternehmers überprüft, dauert es vielleicht noch länger.
Natürlich muss nicht immer alles die schlimmstmögliche Wendung nehmen. Doch mehrere hunderttausend Franken für eine Wohnung zu investieren, ohne sich richtig ins Bild zu setzen, ist schlicht blauäugig. Es empfiehlt sich, vor einem Kauf die relevanten Dokumente und Verträge sehr gründlich anzusehen und sich unabhängig beraten zu lassen.
Die Lage
«Lage, Lage, Lage.» Dies ist das Credo von fast allen Immobilienexperten. Die Lage bestimmt nicht nur die längerfristige Werthaltigkeit einer Investition, sie erweist sich auch im Alltag als entscheidender Faktor. Ob auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder um Freunde zu besuchen: Niemand will angesichts überlasteter Verkehrswege stundenlange Pendlerzeiten in Kauf nehmen. Achten Sie deshalb auf eine gute Verkehrserschliessung (S-Bahn-Anschluss, öV, privater Verkehr usw.) und auf eine gute Nahversorgung (Läden, Kultur, Freizeit). Genauso zählen kurze Distanzen zu Schulen und Arbeitsplatzangeboten. Auch Aussicht, Sonne, Ruhe und Immissionen sind massgebliche Lagefaktoren.
Die Bauqualität
In den Prospekten, bei der Besichtigung einer Musterwohnung oder – heute immer mehr – mithilfe digitaler Visualisierungen sehen fast alle Wohnungen super aus. Doch was ist dem Käufer von Stockwerkeigentum wirklich versprochen, wenn er Monate später zum ersten Mal seine eigene Wohnung betritt? Schon rein formell ist daran zu erinnern, dass Werbeunterlagen unverbindlich sind. Entscheidend sind letztlich der Vertrag und der Baubeschrieb, die als offizielle Dokumente bei der Beurkundung unterzeichnet werden. Vergewissern Sie sich, ob alle Unterlagen, Zusicherungen, Pläne und der Baubeschrieb vollständig und detailliert sind. Wenn Ihnen zum Beispiel im Vertrag bloss vage «Parkett in den Kinderzimmern» oder «Küchenapparate in Schweizer Qualität» versprochen werden, kann man Sie damit ganz schön hängen lassen. Solche Formulierungen sind dermassen vage, dass sie jeder ganz anders auslegt. Besser wäre es, wenn das bestellte Parkett sehr präzis umschrieben ist, inklusive einer Preisangabe pro Quadratmeter Parkett.
Das liebe Geld und die Finanzierung
Der Erwerb von Stockwerkeigentum hat natürlich auch eine wirtschaftliche Seite. Ist das Angebot marktgerecht oder überteuert? Besteht Gefahr, dass man Ihnen im Nachhinein noch viele Extras und Sonderwünsche separat in Rechnung stellen wird?
Achten Sie auch auf die Einschätzung Ihrer Bank oder eines unabhängigen Bewertungsexperten: Um allzu riskante Finanzierungen zu vermeiden, agieren die Geldgeber heute öfters nach dem Prinzip «Vorsicht». Liegt zum Beispiel der Kaufpreis höher als der interne Schätzwert Ihrer Bank, werden Sie heute keine 80-Prozent-Belehnung erhalten. Das bedeutet, Sie müssen mehr als die sonst üblichen Prozente Eigenkapital einbringen können.
Wichtig sind auch realistische und faire Annahmen bei den Budgets. Setzt der Unternehmer bei der Küche zum Beispiel ein Budget von nur 10'000 oder 15'000 Franken ein, folgt für Sie irgendwann ein böses Erwachen: Eine vollständig ausgestattete, moderne Neubauküche kostet heute rund das Doppelte.
Die grosse Unbekannte: Nebenkosten
In der Praxis tauchen viele Fragen erst später auf. Wer denkt schon beim ersten Studium der Verkaufsunterlagen an die späteren Nebenkosten? Trotzdem tun Sie gut daran, sich vorneweg solchen Fragen zu stellen. Im Stockwerkeigentum hängen die Betriebs- und Nebenkosten relativ eng mit der Wertquote zusammen: Die laufenden Kosten für Heizung, Serviceabonnemente, Lift, Löhne und Sozialleistunen für Hauswart, Verwalter oder Gärtner werden meist nach einem gewissen Kostenschlüssel verteilt. Dieser wiederum hängt vom Wertanteil der einzelnen Wohnungen am Gebäude ab (Wertquote). In beträchtlichem Umfang schenken meist die Heizkosten ein, die aber wiederum schwer planbar sind. Im Einzelnen fallen die Kosten je nach individuellem Verbrauch, je nach Wohnungsgrösse und Art und Weise der Wärmerzeugung höchst unterschiedlich aus.
Damit Sie nicht in die Kostenfalle tappen, sind vor allem bestehende und ältere Gebäude genauer unter die Lupe zu nehmen. Kaufen Sie sich in eine bestehende Stockwerkeigentümergemeinschaft in einem Altbau ein, sollten Sie den baulichen Zustand genauer abklären: Werden in den nächsten Jahren grössere Renovationen und Unterhaltsarbeiten auf Sie zukommen? Fragen Sie, ob im Rahmen eines Erneuerungsfonds Reserven gebildet wurden oder nicht. Bei den meisten älteren Bestandesimmobilien ist der Erneuerungsfond massiv zu tief. Dies bedeutet, früher oder später hohe Nachzahlungen für die einzelnen Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer.
Fazit
Viele potentielle Problemfelder sind für Laien ohne Erfahrung nicht erkennbar.»– Holen Sie sich daher wenn nötig Hilfe. Lassen Sie zum Beispiel den Baubeschrieb von einem Experten und den Vertrag von einem Juristen prüfen. Hören Sie sich auch im Bekannten- und Freundeskreis um – schliesslich hat die Zahl der Stockwerkeigentümerschaften in der Schweiz in den letzten Jahren stark zugenommen.
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Überzeugen Sie sich selbst: im Blogpost vom erfolgreichen Verkaufsprozess einer ehemaligen Auftraggeberin.